1946. Der Zweite Weltkrieg war gerade erst seit 16 Monaten grausame Geschichte und in weiten Teilen der Erde suchten entwurzelte Menschen-Trecks nach Heimat, Heim und Familie. Die Welt schien aus den Fugen geraten zu sein und das Geschehene ließ den Zweifel an das Gute im Menschen legitim erscheinen. In diesen ungemütlichen Zeiten erblickte am 5. September des Jahres im fernen Sansibar ein Junge das Licht dieser Welt, den seine Eltern, Bomi und Jer, mit dem Namen Farrokh bedachten. Neun Jahre später, 1955, schicken Bomi und Jer den heranwachsenden Farrokh auf das englische Internat St. Peter’s School in Panchgani, das 250 Kilometer von Mumbai, oder besser Bombay entfernt liegt.
Das indische Panchgani wäre aber dennoch höchstwahrscheinlich niemals zu einem der Orte der Rockgeschichte kartographiert worden, hätte es den kleinen und unauffälligen, aus Sansibar stammenden Farrokh nicht gegeben. Farrokh war musisch begabt und seine stimmlichen Qualitäten zauberten seinem Lehrer so manche Male einen wohligen Schauer auf die Haut. So überredete eben dieser Lehrer Farrokhs Eltern dazu, diesem talentierten Schüler, der inzwischen schon einige musikalische Erfahrung im Chor der St. Peter’s School sammeln konnte, Klavierstunden zu finanzieren. Dass Bomi und Jer dieses Ansinnen des Lehrers damals nicht ablehnten, muss wohl als richtungsweisender Moment im Leben des Farrokh Bulsara angesehen werden.
Denn von nun an konnte sich der Junge aus Sansibar zu dem Musiker entwickeln, der er später unter einem anderen Namen werden und zu unbeschreiblichen Weltruhm gelangen sollte. Seine Freunde von der St. Peter’s School waren es, die Farrokh den Spitznamen Freddie verpassten, den er nie wieder ablegen sollte. Als 12-jähriger war Freddie bereits Mitglied der Schülerband „The Hectics“, die vor allem auf Schulveranstaltungen von sich reden machte.
Einspieler: I Can Hear Music
1963, nach acht Jahren Internat in Indien und unzähligen Klavierstunden, kehrte Farrokh dann als junger Mann mit seinem neuen Spitznamen Freddie zu seinen Eltern nach Sansibar zurück. Noch im selben Jahr erlangte seine Heimat die Unabhängigkeit vom United Kingdom, welche im Januar 1964 in eine gewaltsame Revolution gegen den Sultan von Sansibar gipfelte. Farrokh alias Freddie war bereits 17 Jahre alt, als seine Eltern beschlossen, in aller Eile die Koffer zu packen und mit ihm und seiner 11-jährigen Schwester Kashmira nach England zu flüchten. Als ehemaliger Bediensteter der britischen Kolonialregierung hatte Farrokhs Vater Bomi Bulsara von der Revolution nichts Gutes zu erwarten. Immer wiederkehrende Massaker der schwarzen Bevölkerung an der vormals herrschenden Oberschicht gaben den Bulsaras in ihrer Entscheidung recht, schnellstens das Land zu verlassen und so das Leben ihrer Familie zu retten. Nationalistische Rebellen auf Sansibar hatten noch in derselben Nacht ganze 12.000 Bewohner asiatischer und arabischer Herkunft abgeschlachtet.
In England angekommen, ließen sich die Bulsaras in London nieder, wo Freddie das Polytechnikum besuchte. Als 20-jähriger schrieb Freddie sich 1966 am Ealing College of Art ein, das er 1969 erfolgreich mit dem Diplom in Grafikdesign abschloss. Während dieser Zeit entstanden durch seine Hand zahlreiche Entwürfe modischer Kleidung sowie unzählige Porträts, Zeichnungen bekannter Musiker und Schauspieler. Von seinem Idol Jimi Hendrix fertigte der angehende Grafikdesigner gleich mehrere Zeichnungen an. In die Heimat nach Sansibar kehrte Farrokh alias Freddie Zeit seines Lebens niemals mehr zurück. Stattdessen lernte Freddie wenig später seine zukünftigen Bandkollegen kennen, mit denen er kometenhaft und beispiellos die ganze Welt erobern sollte.
Doch darüber mehr in der folgenden Episode …
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Autor/Produzent: David Stern
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Hörstück-Länge: 06:02 min
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